Artykuły [1063]

Tom 16 (2008)

POLITYKA WSCHODNIA NIEMIEC PO ZJEDNOCZENIU

Strony: 59 - 76

Abstrakt

DEUTSCHE OSTPOLITIK NACH DER WIEDERVEREINIGUNG DEUTSCHLANDS

Bereits im Mittelalter zeigten die deutschen Herrscher Interesse für die in Osteuropa liegenden Gebiete. Den im Laufe der Jahrhunderte von ihnen unternommenen und auf diesen Teil Europas aus gerichteten Maßnahmen lagen verschiedene Motive zugrunde, und die Handlungen nahmen unterschiedliche Formen an. In den Rang eines Symbols wird die Periode der Wende der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erhoben, als die von Kanzler Willy Brandt eingeleitete Ostpolitik zur Entspannung in den Beziehungen zu den Ostblock-Staaten und – aus der Zeitperspektive gesehen – ohne Zweifel zur Beendigung des kalten Krieges beigetragen hat.
Die Vereinigung Deutschlads stellt eine wichtige Zäsur in der deutschen Außenpolitik dar. Nach 1990 war die Aktivität Berlins östlich und südlich von Oder und Donau im hohen Grade durch die Realien der „Mitte“, d.h. der Zentrallage auf dem europäischen Kontinent, bedingt. 1992 wurde in Maastricht der Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet, in dem die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der sog. Drei Pfeiler vorgesehen ist. Einer dieser Pfeiler sollte die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GASP sein. In dem sich vereinigenden Kontinent begann Deutschland eine aktive, immer wichtigere Rolle zu spielen und wurde gewissermaßen zur „Antriebskraft“ der weiteren Veränderungen in Europa. Bei jeder Gelegenheit erklärte Deutschland in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Union seine Hilfsbereitschaft bei politischen und ökonomischen Transformationsprozessen der postkommunistischen Länder. Es kann also nicht wundern, dass das Interesse von Berlin dem Osten galt, gegenüber dem es die Politik unter Verwertung des politischen Kapitals aus der Vergangenheit führen konnte. Wertvoll haben sich also Erfahrungen erwiesen, die bereits früher in den Beziehungen zu den Hauptstädten der mittelosteuropäischen und südosteuropäischen Länder gewonnen wurden. Ihrerseits sahen diese Länder in Berlin ihren Befürworter oder, wie man es in Polen zu sagen pfl egte, einen Anwalt ihrer Interessen auf europäischem Forum sowie in der euro-atlantischen Gemeinschaft. Das erfolgreiche Engagement des deutschen Partners brachte diesen Ländern die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der Nato, wodurch bisherige Bereiche und Möglichkeiten der Zusammenarbeit um eine wichtige Ebene erweitert wurden. Mit dem EU-Beitritt der neuen Länder ist klar geworden, dass Europas Bemühungen um seine Sicherheit nicht ohne die Ergreifung groß angelegter Maßnahmen zugunsten der EU-Nachbarn erfolgreich sein können. Dies liegt auch im Interesse Deutschlands, des am weitesten nach Osten reichenden „alten“ EU-Mitgliedstaates. Wie der deutsche Außenminister F.-W. Steinmeier richtig bemerkt hat, war die Idee der europäischen Integration die Antwort auf die Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zugleich auf die Herausforderungen der zeitgenössischen Welt. Davon kann die Zahl der Länder zeugen, die sich der Europäischen Union anschließen wollen. Es besteht also, um einen ökonomischen Ausdruck zu gebrauchen, eine große „Nachfrage nach Europa“, das sich jedoch bewusst ist, dass es, um seine Attraktivität zu bewahren, etwas anzubieten hat, d. h. ein bewährtes und leistungsfähiges Handlungsmodell. Bei ihrer Sorge um die Zukunft darf sich die EU von ihren Nachbarn nicht abschotten, sondern muss ihre Errungenschaften mit ihnen durch zahlreiche Verknüpfungen teilen.
Der deutsche Außenminister hat bereits im Jahre 2006 auf die Notwendigkeit der Erarbeitung von neuen Richtlinien für die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn hingewiesen. Er hat damalsfestgestellt: die Europäische Union braucht „attraktive und glaubwürdige Angebote an unsere Nachbarn, die mutig einen häufi g schmerzhaften Reformprozess begonnen haben. Die EU braucht – nehmen Sie das Wort nicht so groß, wie es jetzt klingt – eine Neuformulierung ihrer Ostpolitik! Wir arbeiten bereits daran!“
Eine gute Gelegenheit bot sich am 1. Januar 2007 mit der beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft sowie mit dem deutschen Vorsitz der G-8-Staatengruppe. Die Bundesrepublik Deutschland bereitete sich auf die neuen Herausforderungen sorgfältig vor, um den auf sie gesetzten Hoffnungen gerecht zu weren. Deutschland wurde vom Europäischen Rat zu konkreten Maßnahmen im Rahmen der im Jahre 2003 erarbeiteten Europäischen Nachbarschaftspolitik ENP verpfl ichtet. Die deutsche EU-Präsidentschaft, deren Schwerpunkt eben auf die Ostpolitik gelegt wurde, begann unter dem Motto „Europa gelingt gemeinsam“. Die wichtigste Rolle sollten dabei die Beziehungen zu Russland spielen. In diesem Kontext sind auch die Beziehungen zu Weißrussland und zu der Ukraine anzusehen, die bis Ende der 90er Jahre in der Politik des Westens praktisch keine größere Rolle spielten. Dies hat sich mit der Verschiebung der EU-Grenze nach Osten, als die beiden Länder zu EU-Anrainerstaaten wurden, geändert. In den Beziehungen zur Ukraine erklärte die deutsche Seite ihre Bereitschaft, ukrainische Transformationsprozesse sowie ihr Streben nach der Integration mit Euro-Atlantischen Strukturen völlig zu unterstützen. Dagegen fehlen bislang jegliche Grundlagen für eventuelle Gespräche mit Weißrussland, das seit Anfang der 90er Jahre auf enge Kooperation mit Russland gesetzt und die Zusammenarbeit mit westlichen Ländern abgelehnt hat.
Zu den Regionen, die in der letzten Zeit in der deutschen Ostpolitik an Bedeutung gewonnen haben, gehören Transkaukasien und Zentralasien, gegenüber denen der Westen bislang keine einheitliche Handlungskonzeption erarbeitet hat. Diese Region ist in vielerlei Hinsicht von großer strategischer Bedeutung. Die hier gelegenen Staaten verfügen über reiche Lagerstätten von Energierohstoffen, wodurch sie zum Gegenstand der Interessen der Supermächte Russland, China und den USA geworden sind. Hier kreuzen sich die wichtigsten Verkehrsstraßen des gesamten Kontinents. Dieses Gebiet grenzt an solche Konfl iktgebiete von globaler Bedeutung wie Afghanistan, der Iran oder der Nahe Osten. In den letzten Jahren begann die deutsche Diplomatie in dieser Region eine besonders große Aktivität zu entwickeln, in deren Zentrum Fragen der Energiesicherheit stehen. Das deutsche Auswärtige Amt hat eine „Strategie für eine neue Partnerschart der EU und Zentralasien“, vorläufi g ENP Plus genannt, erarbeitet. Ähnlich wie die Europäische Nachbarschaftspolitik, sah das deutsche Projekt die Schaffung von verschiedenartigen effektiven Kooperationsformen unter Anwendung der verfügbaren Strukturen und bestehenden Initiativen vor. Das Dokument wurde am 30. Juni 2007 in Berlin präsentiert und anschließend durch die Europäische Union angenommen.
Indem man Voraussetzungen und Ziele der neuen Ostpolitik Berlins bewertet, muss man feststellen, dass sie an die Konzeption von W. Brandt anknüpft und eine Art Fortsetzung ist. Angesichts der seit Beginn der 90er Jahre eintretenden Änderungen, die durch eine Verschiebung der deutschen, aber auch der europäischen Interessen nach Osten charakterisiert sind und neuer Handlungsstrategien bedürfen, ruht auf Deutschland eine besondere Verantwortung.