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WIRTSCHAFTLICHE BILANZ DER WIEDERVEREINIGUNG DEUTSCHLANDS NACH ZWANZIG JAHREN. TEIL I
Der Prozess des Zusammenwachsens der Wirtschaften von zwei deutschen Staaten, die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind — der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik — begann noch vor dem 3. Oktober 1990 — dem Tag der Deutschen Einheit. Schon am 18. Mai 1990 unterschrieben die Finanzminister beider Staaten — Theo Waigel und Walter Romberg einen Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Staatsvertrag, der am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Artikel 1 dieses Vertrages bestimmte u.a., dass die Grundlage der Wirtschaftsunion die soziale Marktwirtschaft ist, als gemeinsame Wirtschaftsordnung von beiden Parteien dieses Vertrages.
Am Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages sprach der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl über die Chancen und Garantie, dass Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen „bald wieder blühende Landschaften sein werden.“
An die Worte des Kanzlers erinnern die Forscher und Kommentatoren bei der Gelegenheit jedes runden Jahrestags der Vereinigung, indem sie diese als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Übereinstimmung im vereinigten Deutschland betrachteten.
Nach den ersten zehn Jahren wurden äußerst gegensätzliche Meinungen formuliert. Auch heute sind die Beurteilungen unterschiedlich — von Unzufriedenheit und Beschuldigungen gerichtet gegen die Politiker wegen Ablegung von falschen Versprechungen und des Hinweisens auf fehlerhafte Prioritäten, bis Aufruf zur Anerkennung der Werte und Bedeutung der bisherigen Errungenschaften und zum optimistischen Schauen in die Zukunft.
Das Ziel des ersten Teils des Artikels ist vor allem die Darstellung von Tatsachen und objektiven makroökonomischen Richtwerten, die den Prozess der Annäherung der ostdeutschen Wirtschaft ans Niveau der alten Bundesländer betrifft, beginnend ab 1991, also vom ersten vollen Kalenderjahr nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Dabei muss betont werden, dass die wirtschaftlichen Ergebnisse der Wiedervereinigung unbeachtet der politischen Diskussionen darüber gezeigt wurden sowie der sie begleitenden Emotionen und des Strebens danach, die Politiker aufgrund der erregten Erwartungen und abgelegten Versprechungen zur Verantwortung zu ziehen. Für die Erwägungen über die Ergebnisse des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses im wiedervereinigten Deutschland wurde auch als wichtig die Erinnerung an die Anfangsbilanz der ostdeutschen Wirtschaft im Jahre 1990 sowie die Darstellung der fi nanziellen Rahmen ihres Aufbaus, die der Fonds „Deutsche Einheit“ sowie der Solidaritätspakt I und Solidaritätspakt II bildeten, erkannt.