Articles [1063]

Vol. 23 (2015)

ŻYDOWSKIE STOWARZYSZENIA WE WROCŁAWIU PRZEŁOMU WIEKÓW — WYBRANE PRZYKŁADY

Pages: 13 - 26

Abstract

JÜDISCHE VEREINIGUNGEN IN BRESLAU UM DIE JAHRHUNDERTWENDE — GEWÄHLTE BEISPIELE

Das 19. Jahrhundert war eine Blütezeit in der Entwicklung des Vereinslebens. Organisationen, Vereine und Verbände wurden zum Hauptelement der neuen urbanen Subkultur und spielten die Hauptrolle in der Gestaltung des kulturellen, sozialen, politischen und des Glaubenslebens. Die Vereinigungen, die Vorträge, Diskussionsabende oder gemeinsame Ausflüge organisierten, versammelten Personen in verschiedenem Alter, von diversen Professionen und Konfessionen; ihr Charakter und der Formalisierungsgrad waren somit unterschiedlich. Die Mitgliedschaft in einer Elitevereinigung und insbesondere Bekleiden wichtiger Funktionen im Vorstand, führten zur Erhöhung der gesellschaftlichen Position oder Bekräftigung dieser. Oft nahmen die Vertreter der Elite, wohlhabende Käufer und Bankiers, die leitenden Posten ein.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die jüdische Bevölkerung aus der Mitgliedschaft in öffentlichen Organisationen ausgeschlossen. Deshalb haben die Juden eigene, sozusagen parallele Formen des Vereinslebens gegründet. Die fortschreitende Integration führte dazu, dass zahlreiche Organisationen auch jüdische Mitglieder in ihre Reihen aufnahmen; viele Juden bekleideten ehrenhafte Funktionen in den Vorständen der Verbände und Gesellschaften.
Es gab jedoch in Breslau, trotz der durchgeführten Emanzipationsprozesse, Vereinigungen, die keine jüdischen Mitglieder aufnahmen und der Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts an Stärke zunehmende Antisemitismus fand Anhänger auch in Kreisen der Breslauer Gesellschaften. Die Mitglieder einiger Organisationen, die bis dahin die Juden für vollberechtigte Bürger hielten und ihnen die Mitgliedschaft in den Organisationsstrukturen gewährten, beantragten jetzt, die Juden auszuschließen. Die Frage der Mitgliedschaft der Juden in allgemeinen Vereinigungen trug zur Polarisierung der Breslauer Gesellschaft bei, der Ausschluss der Vertreter der mosaischen Gemeinschaft aus dem öffentlichen Leben wurde jedoch zu keiner allgemeinen Norm, es war eher ein Zeichen dafür, dass man konservativen sozialen Gemeinschaften angehört.
Die Ausgrenzung umfasste zahlreiche Bereiche des sozialen Lebens und soziale Gemeinschaften, auch die Jugendlichen und Studenten wurden quasi gezwungen, eigene, unabhängige Organisationen zu gründen. Gerade in Breslau entstand die erste zionistische Judenorganisation — Blau- Weiß.
Das in der deutschen Gesellschaft an Stärke zunehmende Interesse für die jüdische Kultur und Tradition galt als Antwort auf die verstärkten antisemitistischen Stimmungen; die gegründeten Gesellschaften, die das Wissen über das Judentum und die jüdische Literatur verbreiteten, hatten das Gefühl der Verbundenheit unter der jüdischen Bevölkerung zu verstärken. In Breslau wirkten dynamisch Organisationen eines solchen Charakters.
Die entstehenden jüdischen Organisationen waren anfänglich als eine Antwort auf die Ausgrenzung aus dem städtischen öffentlichen Leben anzusehen, dann wurden sie aber zu einem Element, das die jüdische Gemeinschaft angesichts der aufsteigenden antisemitistischen Stimmungen zusammenfügte. Das sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts breitflächig entwickelnde jüdische Vereinsleben war einerseits Ergebnis der Modernisierungsprozesse in der Gesellschaft, die mit der fortschreitenden Emanzipation und Assimilation verbunden waren und andererseits eine Antwort auf die Bedürfnisse der jüdischen Gemeinschaft darunter Krise der jüdischen Identität und der ansteigende Antisemitismus.