Artykuły [1063]

Tom 20 (2012)

Niemiecki Atomausstieg. Uwarunkowania decyzji o rezygnacji RFN z energetyki jądrowej i jej wpływ na relacje polsko-niemieckie

Strony: 117 - 138

Abstrakt

DER DEUTSCHE „ATOMAUSSTIEG”. BEDINGUNGEN DER ENTSCHEIDUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND AUF DIE ATOMENERGETIK ZU VERZICHTEN UND IHR EINFLUSS AUF DIE DEUTSCH-POLNISCHEN VERHÄLTNISSE

Ziel des Artikels ist, die Bedingungen und Konsequenzen der Entscheidung der bundesdeutschen Regierung über den Atomausstieg darzustellen und ihren Einfl uss auf die deutsch-polnischen Verhältnisse zu schildern. Der im Mai 2011 gefasste Entschluss, auf die Atomenergetik zu verzichten, beendete den über 40 Jahre in Deutschland dauernden Streit über die zivile Nutzung der nuklearen Technologie. Obwohl sie für die Europäer überraschend war, ist zu berücksichtigen, dass der deutsche Prozess, von der Kernenergie Abschied zu nehmen, bereits ein Jahrzehnt dauert und formell mit dem Atomkompromiss von 2000 begonnen wurde.
Zwei Faktoren haben die Entscheidung der Regierung beschleunigt: ein externer — die Nuklearkatastrophe in Fukushima im März 2011 und ein interner — die sozialen Proteste und die oppositionelle Stellung der SPD und der Grünen gegen die neue Energiepolitik der Regierung. Seit Herbst 2010 war nämlich ein Konzept der Christdemokraten Ausstieg aus dem Atomausstieg eingeführt, der auf der Verlängerung um ca. 12 Jahre der Reaktorenarbeit beruhte. Die Prämissen des parallel veröffentlichten Energiekonzeptes 2050 waren, dass die Atomenergetik lediglich eine Brückentechnologie ist, und die Umstellung der Wirtschaft auf grüne Technologien und erneuerbare Energiequellen das endgültige Ziel darstellen wird. Dieser Plan galt als ein Wegweiser, der der Bundesrepublik die sog. Energiewende, also eine Modernisationsänderung erleichtern sollte, die auf dem Übergang von der auf Kohle basierenden Industrie, die für das 20. Jahrhundert charakteristisch war, zu der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts, mit niedrigen Emissionen und ökologisch ausgeglichener, beruhen sollte.
Die durch den Bundestag am 30.06.2011 im Rahmen der überparteilichen Zustimmung und beim Gegenwort Der Linken gefasste Entscheidung bedeutet, dass die Atomreaktoren allmählich bis 2022 still gelegt werden und die erneuerbare Energetik systematisch ausgebaut wird. Ihre Gegner weisen auf folgende Gefahren hin: Erhöhung der Energiepreise, Energiemangel, das Risiko der Gasabhängigkeit von Russland, Verlust der Staatskasseeinnahmen in Form der Steuern von den Energiekonzernen und die Schadensersatzzahlungen an sie.
Nach Meinung der Verfasserin ist der Atomausstieg taktisch und strategisch zu betrachten. Im ersten Fall kann er CDU helfen, an der Macht nach den Landes- und Bundeswahlen zu bleiben und erleichtern, 2013 die Koalition mit SPD oder den Grünen zu gründen. In dem anderen bezieht er sich auf das neue Arbeitsmodell der ganzen Bundeswirtschaft und beeinflusst somit die Gestaltung des neuen Systems der bundesdeutschen energetischen Interessen.
Die Folgen des deutschen Atomausstieges spüren bereits die Nachbarn: die französischen Regionen Bretagne und Provence sowie Belgien, die Niederlande und Österreich werden die Möglichkeit verlieren, den Energieüberschuss aus der Bundesrepublik Deutschland zu importieren. Dem deutschen Beispiel folgend haben auch Belgien, die Schweiz, Italien und Spanien über den Atomausstieg entschieden, die Schweden bleiben skeptisch. Auf dem anderen Pol nehmen die Staaten Platz ein, die die Atomenergetik entwickeln: Frankreich, Großbritannien, Tschechien und Polen.
Die Entscheidung, auf die Kernkraft in Deutschland zu verzichten, beeinflusst die polnische Diskussion über den Bau des ersten Kraftwerkes dieser Art. Zahlreiche polnische Beobachter verstehen diese Entscheidung nicht, da an der Weichsel gilt das Paradigma aus dem 20. Jahrhundert, die Kernenergetik als ein Mittel zur technologischen Modernisierung, die energetische Effektivität und die Klimaverpflichtungen zu betrachten. Deutschland dagegen, am Anfang des 21. Jahrhunderts, will Pionierarbeit im Bereich der Technologie, Innovationen in der Wirtschaft und Industrie leisten sowie Leader in dem Umweltschutz und Gestalter der neuen energetischen Änderung sein. Sehr wahrscheinlich ist also, dass die Diversifizierung der Energiequellen in Polen und in der BRD in der Schlüsselhinsicht — der Nutzung der Atomenergie — unterschiedlich sein wird. Wenn 2022 in Deutschland das letzte Atomkraftwerk still gelegt wird, wird in Polen ein ähnliches in Betrieb gesetzt.
An der Entwicklung der polnischen Atomenergetik sind besonders die deutschen Grünen interessiert, die eine Protestaktion, „Keine Atomkraft in Polen” führen. Die Fraktionen der Berliner, Brandenburger und Mecklenburg-Vorpommerner Landtage haben ein Rechtsgutachten über den Einfluss des künftigen Kraftwerkes auf die Umwelt vorbereitet und im Dezember 2011 hat die Fraktion der Grünen bei der Regierung beantragt, dass sie den Bau des Kernreaktors in Polen beobachtet. Die polnischen Entscheidungsgremien erhalten bereits heute Signale, das eine interne Angelegenheit — der Bau eines Kernkraftwerkes — zu bilateralen Problemen auf lokaler und zentraler Ebene führen kann, was wiederum die Intensivierung des gegenseitigen Informationenaustausches notwendig macht.
Die Energiepolitik müsste schon längst Gegenstand deutsch-polnischer Beratungen auf der Regierungsebene werden. Die Energiewende könnte als Grundlage der Erweiterung bilateraler Gespräche gesehen werden, die Energiefragen nicht nur in Entwicklungs-, in wirtschaftlicher, sondern auch in ökologischer Hinsicht zu erwägen. Die Erweiterung der Bedeutung des regierungsübergreifenden Rates für Umwelt könnte die Pragmatisierung und Konkretisierung der Berlin-Warschau-Verhältnisse beeinfl ussen. Der Widerspruch zwischen den Energieinteressen, der sowohl beim Bau der Nord-Stream-Pipeline als auch des Kernkraftwerkes in Polen stellt die durch die Politiker öffentlich erklärte strategische deutsch-polnische Nachbarschaft jedoch in Frage.